Vorwort
I. Einführung
Uwe Sielert: "Informiertheit ist ein notwendiger Bestand von Liebe, die alle Seelsorge trägt". Siegfried Keil als Sozialwissenschaftler
Michael Haspel: Person und Institution im Lichte des Evangeliums. Der Beitrag Siegfried Keils zu Sozialethik, Sozialpädagogik und Sozialpolitik
Schriften von Siegfried Keil
II. Historische und systematische Grundlagen
Zum Neuansatz der theologischen Ethik bei Friedrich Schleiermacher
Absolutheit und Relativität der Normen in soziologischer und theologischer Sicht
III. Zum Aufbruch evangelischer Sexualethik
Gesellschaftsstruktur und Geschlechtsverhalten
Fragen der Sexualmoral - Zum Stand der sexual-ethischen Diskussion in Theologie und Kirche
IV. Evangelische Familienberatung konsolidiert sich
Pfarrer in der Familien- und Lebensberatung
Familienberatung zwischen Diakonie und Seelsorge - Ihre Funktion für Familie und Gesellschaft
Umfang und Grenzen der Beratung in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung
V. Die familienrechtlichen Reformen der sozial-liberalen Koalition
Sozialpädagogische Aspekte der Reform des Adoptionswesens.
Leben fördern - ethische Überlegungen zum Schwangerschaftsabbruch
Eherechtsreform ohne Prinzipienreiterei
Sozialethische Positionen und gesellschaftliche Leitbilder in der Diskussion der Reform der Jugendhilfe
VI. Restauration oder Neubeginn unter der christlich-liberalen Regierung
Restauration oder Neubeginn der Familienpolitik
Zufrieden oder undankbar - Familien nach 1984
Eltern und Kinder - Stiefkinder der Politik auch im vereinigten Deutschland? Deutschland - Ost und Deutschland-West: Ein Vergleich
VII. Neue sozialethische Herausforderungen am Ende des Jahrhunderts
Protestantisches Menschenbild und evangelische Sexualethik als Voraussetzung für einen lebensförderlichen Umgang mit der Immunschwächekrankheit AIDS
Kirchen und AIDS
Theologische Überlegungen zur Vielfalt der Geschlechterverhältnisse
VIII. Von der Sexualethik zur Familienpolitik
Von der Sexualethik zur Familienpolitik - Gesellschaftliche Kontexte in autobiographischer Perspektive
IX. Anhang
Vita Siegfried Keil.
Bibliographie
Kurzvita Uwe Sielert und Michael Haspel
Vorwort
Siegfried Keil hat die Familienpolitik der letzten Jahrzehnte unter den sozial-liberalen und christlich-liberalen Regierungen im Sinne der Theologie, der evangelischen Kirche und der Familien an
entscheidender Stelle begleitet und mitgestaltet. Als Theologe und Sozialpädagoge, Seelsorger und Wissenschaftler hat er Brücken über die zum Teil hohen Grenzwälle zwischen einzelnen
wissenschaftlichen Disziplinen hinweg sowie zwischen Theorie und Praxis geschlagen. Als Sozialwissenschaftler stand er immer fest auf dem Boden der Realität, ohne dabei die erstrebenswerten Ziele
einer freien und sich weiterentwickelnden Gesellschaft aus den Augen zu verlieren. Nüchtern analysierte er Zustand und Drift des sozialen Ganzen wie auch seiner Teile, bezog Stellung und
begründete seine Voten auf der Grundlage eines unerschütterlichen Glaubens an die Entscheidungsautonomie des Individuums in allen es betreffenden existenziellen Fragen. Um dieses
Gravitationszentrum herum konstruierte er einen rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmen, der auf Wandel angelegt ist, und das heißt auf Verbesserung angesichts einer sich im
rasanten Tempo verändernden Welt, die allein in Folge der vielen technischen Innovationen jedes Jahrzehnt ihr Gesicht und ihre Existenzgrundlage verändert.
Die Aufsätze von Siegfried Keil, die in diesem Band abgedruckt sind, zeigen die Reaktionen eines für das Wohlergehen von Jugend und Familie streitenden Theologen, Gesellschaftswissenschaftlers
und Seelsorgers. Sie verdeutlichen, wie ein seit Jahrzehnten mit hohem Einsatz agierender Hochschullehrer Therapien für einen permanent nach Heilung rufenden Patienten entwickelt. Die Einführung
(I) von Uwe Sielert und Michael Haspel legt offen, wie Siegfried Keil für seinen Kompetenzbereich den sozialen Wandel mitzugestalten bemüht war: vom Sexualverhalten über
Schwangerschaftskonflikte, Scheidungsfragen, Familien- und Jugendprobleme bis hin zu AIDS und der Gentechnologie. Die Aufsätze lassen jedoch nur ganz am Rande die architektonischen Leistungen von
Siegfried Keil an den einzelnen Hochschulen erkennen, an denen er als Lehrer und Leiter, als Inspirator, Forscher und Organisator tätig war: als Rektor der PH Ruhr sowie als Direktor der
Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung in Rheinland, Düsseldorf, des Instituts für Sozialpädagogik an der Universität Dortmund und des Instituts für interdisziplinäre
Gerontologie und angewandte Sozialethik an der Philipps-Universität Marburg. Nicht erst in dieser letztgenannten Position hat sich Siegfried Keil mit dem Thema "Alter und Altern" einem weiteren
familienpolitischen Problemkreis zugewandt, der nicht nur unter dem Blickwinkel der Renten- und Pflegeversicherung von höchster Aktualität ist.
Die Kapitelüberschriften, unter denen wir die Texte vorlegen, benennen zugleich zeitliche und sachliche Zusammenhänge. Auf die Historische und systematische Grundlegung (II) folgen zunächst Texte
Zum Aufbruch evangelischer Sexualethik (III) und dann andere, die bezeugen: Evangelische Familienberatung konsolidiert sich (IV). Die sich anschließenden Analysen und Stellungnahmen hatten keinen
geringen Einfluss auf Die familienrechtlichen Reformen der sozialliberalen Koalition (V), sie fragten dann nach Restauration oder Neubeginn unter der christlich-liberalen Regierung (VI) und sie
reagierten schließlich auf Neue sozialethische Herausforderungen am Ende des Jahrhunderts (VII). Unter dem Entwicklungsbogen Von der Sexualethik zur Familienpolitik erscheinen dem Autor selbst in
einem rückschauenden Beitrag, der den Band abschließt, gesellschaftliche Kontexte in autobiographischer Perspektive (VIII).
Dabei kommt der Theologe programmatisch fast zu kurz. Weil der Mensch das Wort Gottes als soziales Wesen hört, ist Siegfried Keil den Soziologen ein Soziologe geworden. Seine "wissenschaftliche
Hermeneutik der menschlichen Existenz" entwirft er freilich stets als Theologe. Seine kritischen Schüler wollen aus einer engagierten Theologie Bewertungskriterien für die zur Auswahl stehenden
soziologischen Paradigmen ableiten. Oder sie fragen umgekehrt, ob die soziologischen Standards nicht das theologische Paradigma hätten transformieren müssen. Der jetzt mögliche Blick zurück hilft
jedenfalls den Kontext zu verstehen, in dem sich solche Fragen mit einer gewissen Notwendigkeit gestellt werden mussten, weil sie sich entfalten konnten.
Dieser Kontext ist in der Tat ein biographischer, aber man sollte ihn - mit dem Theologen Siegfried Keil - in der Tradition Schleiermachers verstehen. Hier erschließt christliche Theologie den
Wirkungsprozess, der von Jesus Christus ausgeht, als Kulturprozess, in dem die christliche Traditionsgemeinschaft gerade so zu sich selbst findet, dass sie sich von den säkularisierten Wirkungen
christlicher Verkündigung in Frage stellen lässt. In dieser wissenschaftlicher Selbstreflexion der christlichen Traditionsgemeinschaft ist beides beieinander: jenes Aufgeben der Sicherheit, jenes
Zerbrechen alter Formen, ja jene Selbstentäußerung und Selbstverleugnung, die in der Nachfolgeorientierung eingeübt werden - und jenes sich Wiederfinden in fremder Umgebung, jenes Heimischwerden
in der Fremde, jenes freie Ausgreifen ins Neue, das sich nach Ostern in Zeit und Raum, in Gesellschaften und Kulturen wirksam gezeigt hat.
Beieinander sind auch: kritische Wissenschaft und kirchliches Engagement, institutionelle Gestaltungsfähigkeit und pädagogische Selbstbeschränkung, fachliche Expertise und politische
Einflussnahme im Dienste derer, die sonst überhört und übergangen werden. Die Herausgeber verstehen in diesem Sinne diesen zweiten Band mit Texten Siegfried Keils als Teil eines
wissenschaftlichen Lebenswerks, das sich gerade in biographischer Perspektive von seinem theologischen Sachbezug her verstehen lässt und zu einem Ganzen zusammenfügt. Wir danken den Kommentatoren
Uwe Sielert und Michael Haspel, dem Redakteur Rainer Schröter mit Nora Katte und Christina Petri, für Schreibarbeiten Jeanette Pimper und Ulrike Rau. Für einen Beitrag zu den Druckkosten danken
wir dem Freundeskreis Marburger Theologie e.V., der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche im Rheinland. Wir
möchten mit diesem Band einen großen Gelehrten, Organisator und Berater ehren. Am 24. April 2004 vollendete Siegfried Keil sein 70. Lebensjahr.
Peter Borscheid, Wolfgang Nethöfel
Institut für interdisziplinäre Gerontologie und angewandte Sozialethik
Siegfried Keil
Protestantische Positionen - Beiträge zur Sexualethik und Familienpolitik
Marburger Forum zur Gerontologie, Band 8
404 Seiten, April 2004, 22 Euro