Inhalt
Vowort
von MARTINUS KUHLO
Die Mobilität der Gesellschaft
Schach dem Stau
Ganzheitlich gegen Verkehrsinfarkt
- neue (Verkehrs-)Wege in Baden-Württemberg
von STEFAN MAPPUS
Smarte Visionen
Mobil und trotzdem umweltbewusst?
- intermodale Systeme helfen den Verkehr zu optimieren
von ANDREAS RENSCHLER
Kleine Welt - lange Wege
Das Auto ist keine heilige Kuh
- Entmystifizierung tut dringend Not
von REZZO SCHLAUCH
Perspektive Europa
Goldenes Europa - Rosige Zeiten?
Auf dem richtigen Weg - die EU bringt
wirtschaftlichen, politischen und sozialen Nutzen
von Dr. MICHAELE SCHREYER
Justicia ohne Grenzen?
Neue Reglements für Europa
- was bedeutet die internationale Ausrichtung
der Wirtschaft fürs Arbeitsrecht?
von MARION J. JOHANNSEN
Chance Technologie
Don´t hesitate - innovate!
Neue Technologien sind auf dem Vormarsch
- kommt der Mensch da noch mit?
von MENNO HARMS
Technik um der Technik willen?
Nicht jede Technik ist wünschenswert und zukunftsfähig
- von der Notwendigkeit neuer Technikleitbilder
von Prof. Dr. ORTWIN RENN
Kein Fortschritt ohne Zukunft
Auf der Suche nach neuen Möglichkeiten
- Innovationen ja, aber nicht um jeden Preis
von Dr. BEATRIX TAPPESER
Soziale Marktwirtschaft im
Zeitalter der Globalisierung
Chance oder Schreckgespenst?
Schlagwort Globalisierung
- macht sie die Armen ärmer und die Reichen reicher
oder bringt sie uns allen mehr Wohlstand?
von Dr. DIETER HUNDT
Global und sozial - eine Ehe mit Hindernissen
Wirtschaftsinteressen regieren die sich internationalisierende
Welt - bleibt da der Mensch nicht auf der Strecke?
von DIETER SCHULTE
Vorwort
Spurensuche in einer Zeit dynamischer Entwicklung
von MARTINUS KUHLO
"Verabredungen ins nächste Jahrtausend" - das war das Motto der Bad Boller Perspektiven vor der Jahrtausendwende. Und nun stellen wir fest, dass sich die ungelösten Probleme des ausgehenden 20.
Jahrhunderts völlig unbeschadet ins 21. hinüber gerettet haben. Brandaktuell war und ist auch im neuen Jahrtausend das Thema "Mobilität" mit all seinen Facetten.
Das Chaos im Straßenverkehr ist Teil unseres Lebens: Ewigkeiten im Stau zu verbringen und vergeblich einen Parkplatz zu suchen - das gehört zum enervierenden Alltag jedes Autofahrers.
Fahrradfahrer, von der rollenden Blechlawine bedrängt und bedroht, klingeln zum Ausgleich die Fußgänger aus dem Weg. Und die schimpfen wiederum über die rücksichtslosen Falschparker, welche die
Gehwege zuparken. So leidet jede und jeder an den Auswirkungen der mobilen Gesellschaft - und mag von ihren Vorteilen doch nicht lassen.
Wenn wir heute statt von Verkehr von Mobilität sprechen, dann soll das heißen: Problem erkannt und in einen großen Sinnzusammenhang gebracht. Zwar ist das Problem damit noch lange nicht gebannt,
dafür aber immerhin neu definiert. Gegen Mobilität kann schließlich niemand etwas haben, oder? Schließlich ist sie ein Grundmerkmal unseres modernen Lebens. Mobilität ist Leben. Und ein System
ist dann ein lebendes System, wenn es Stoffe wechselt und wenn es den Transport von materiellen oder immateriellen Inhalten organisiert. Das gilt auch für unsere Gesellschaft heute. Eine immobile
Gesellschaft ist undenkbar, denn sie wäre kein lebendes System.
Das Grundbedürfnis nach Fortbewegung ist so alt wie die Menschheit. Zum Problem wurde die Mobilität erst, als unser Wohlstand immer mehr wuchs und die Ansprüche an die Individualität stiegen. Aus
dem Bedürfnis nach Fortbewegung entstand zunehmend der Wunsch nach Schnelligkeit plus Sicherheit. Dank ausgeklügeltster Fahrzeugtechnik haben die Hersteller Träume vom Rausch der Geschwindigkeit
wahr gemacht. Doch heute stehen wir vor dem Verkehrskollaps. Der Wunsch nach dem Schneller-Höher-Weiter zwingt uns letztlich alle zum Stillstand. Umdenken ist dringend angesagt.
"Mobilität der Zukunft" heißt deshalb das neue Stichwort. Und es gibt viele verheißungsvolle Ansätze, von neuartigen Fahrzeugantrieben über intelligente Verkehrstechniken bis hin zu Studien über
zukünftige Verkehrsentwicklungen. Einige dieser innovativen Lösungsideen sind beim Perspektivgespräch zum Thema "Die Mobilität der Gesellschaft" im Februar 2001 zur Sprache gekommen. Immer am
Puls der Zeit hat die Evangelische Akademie Bad Boll auch dieses Mal ein Forum geboten diese neuen Konzepte bekannt zu machen und darüber zu diskutieren. Denn oft zeigen sich Pros und Contras
erst im öffentlichen Gespräch: Was muss modifiziert werden? Welche Interessengruppen sind noch zu berücksichtigen, damit das Konzept politisch mehrheitsfähig wird? Lesen Sie hierzu die Beiträge
der drei Referenten, die bei der Tagung auf diese Fragen eingegangen sind. Es sprachen Stefan Mappus vom Umwelt- und Verkehrsministerium, Stuttgart, Andreas Renschler von der Firma Smart,
Renningen, und Rezzo Schlauch von Bündnis 90/Die Grünen, Berlin.
Mobilität ist auch Erweiterung des Lebensraums. Die Öffnung nach Europa ist dieser Tage ein brandaktuelles Thema. Es gibt nahezu kein Politikfeld mehr, das nicht auch eine europäische Komponente
hat. So sind im offenen Binnenmarkt etwa BSE sowie Maul- und Klauenseuche Probleme von europäischer Tragweite geworden. Und mit der Einführung des EURO hat sich ein großer Teil der
EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet eine ganze Reihe von ökonomischen und finanzpolitischen Entscheidungen gemeinsam zu treffen.
Die europäische Politikebene etabliert sich immer mehr. Doch ohne Reibung und ohne Widerspruch findet dieser Prozess nicht statt. Das gilt gerade für ein föderal organisiertes Land wie die
Bundesrepublik Deutschland. Bund, Länder und Regionen sehen ihren Hoheitsbereich noch immer am liebsten unangetastet. Die Subsidiarität soll gewahrt werden. Noch immer herrscht der Tenor vor,
dass die Europapolitik möglichst nur unterstützen sollte, was vor Ort gedacht und entschieden worden ist. So wird bei Konflikten auf europäischer Ebene oft viel grundsätzlicher gestritten als bei
Konflikten zwischen Bund und Ländern oder zwischen Ländern und Kommunen. Die Diskussion über die öffentliche Gewährleistung für die Sparkassen in Deutschland im vergangenen Jahr ist ein Beispiel
dafür.
Ein großes Problem: Die meisten europapolitischen Debatten finden hauptsächlich zwischen Europa-Experten und -innen statt. Die Bürgerinnen und Bürger bleiben großteils außen vor und nehmen die
europapolitischen Entwicklungen eher leidenschaftslos hin. Nicht einmal die neue Währung, der EURO, weckt überschwängliches Interesse. Und das, obwohl beim Abschied von der D-Mark eine ganze
Menge Wehmut mitschwingt, da die jüngere Geschichte Deutschlands nicht unerheblich vom Stolz auf wirtschaftliche Leistungen geprägt ist.
Veranstaltungen zu europapolitischen Themen sind daher keine Selbstläufer. Die Evangelische Akademie Bad Boll blieb dennoch immer der Idee der Europäischen Einigung verpflichtet. Das Bad Boller
Perspektivgespräch "Perspektive Europa" am 15. März 2001 war ein historischer Moment im europapolitischen Engagement unseres Hauses. Mit Frau Dr. Michaele Schreyer war zum ersten Mal in der
Geschichte der Akademie Bad Boll ein Mitglied der Europäischen Kommission bei uns zu Gast. Das hier abgedruckte Hauptreferat von Frau Dr. Schreyer ist damit auch ein historisches Dokument der
Akademiegeschichte. Als Expertin zum Thema kam auf der Tagung Marion J. Johannsen vom Verband der Metall- und Elektroindustrie, Stuttgart, zu Wort, deren Beitrag Sie hier ebenfalls nachlesen
können.
Grenzen zu öffnen ist das Thema der Gegenwart und der Zukunft. Doch es gibt auch Grenzen, die im öffentlichen Diskurs mitunter durchaus als sinnvoll erachtet werden, so etwa im Prozess des
technologischen Fortschritts. Nahezu jede neue technologische Entwicklung wird von der Debatte begleitet, ob die Chancen oder die Risiken überwiegen. Und das ist gut so. Doch neue Techniken, die
dem Wohle der Menschen dienen, fallen nicht vom Himmel. Ohne neue Ideen gibt es auch keinen technischen Fortschritt. Ideen und Innovationen gedeihen nur dort, wo Wissen vorhanden ist - und wo
dieses Wissen auch auf ein offenes Klima in der Öffentlichkeit trifft.
Sind in unserem Land die Voraussetzungen für innovativen technischen Fortschritt gegeben? Und was ist zu tun um sie gegebenenfalls zu verbessern? Diesen Fragen stellte sich das Bad Boller
Perspektivgespräch im Mai 2001 mit dem Titel "Chance Technologie". Zwei Entwicklungen waren und sind es, die in der Öffentlichkeit besonders beachtet werden: die Informations- und
Kommunikationstechnologie sowie die Biotechnik, insbesondere die Gentechnik. Diese beiden Themenbereiche bilden die Schwerpunkte der hier veröffentlichten Statements von Menno Harms von Hewlett
Packard, Böblingen, Prof. Dr. Ortwin Renn von der Akademie für Technikfolgenabschätzung, Stuttgart, sowie Dr. Beatrix Tappeser vom Öko-Institut, Freiburg.
Ganz im Zeichen von Fortschritt und Öffnung steht auch das vierte und letzte Thema in diesem Heft: die Globalisierung. Was für die Einen Verheißung, ist für die Anderen Teufelswerk. Vielen
Menschen erscheint die zunehmende Globalisierung als kalte und gefährliche Entwicklung. Andere hingegen setzen große Hoffnungen in weltweite Märkte und Kommunikation rund um den Globus.
Einerseits gibt es die Sorge den eigenen Arbeitsplatz im weltweiten Konkurrenzkampf der Arbeitskräfte zu verlieren. Andererseits eröffnet die internationale Zusammenarbeit neue
Kooperationsmöglichkeiten und attraktive Geschäftsfelder. Diese Spannung prägt schon länger die Debatte um das Thema "Globalisierung" - und das nicht erst seit den Anschlägen am 11. September
2001 in New York und Washington.
Dieser Spannung ist auch unser Wirtschaftssystem ausgesetzt. Ist die Soziale Marktwirtschaft ein Hindernis oder eine Stärke im globalen Wettbewerb? Welche Regelungen können bleiben und welche
sind zu überdenken? Fragen wie diese stehen im Mittelpunkt der in diesem Band veröffentlichten Statements von Dr. Dieter Hundt vom Bund Deutscher Arbeitgeber (BDA) und Dieter Schulte vom
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Sie bilden den Auftakt des Perspektivgesprächs zum Thema "Soziale Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung", das krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt
werden musste.
Auch mit diesem Band laden wir Sie wieder ein die Spurensuche aufzunehmen. Allen, durch deren Mitarbeit dieses Heft entstehen konnte, gilt unser Dank - allen voran natürlich den Referentinnen und
Referenten, welche die "Spurensuche" mit Inhalt gefüllt haben, und nicht zuletzt auch Heidi Wentsch fürs Redigieren und Überarbeiten der Texte. Viel Spaß, liebe Leserinnen und Leser, bei der
Lektüre wünscht Ihnen
Martinus Kuhlo
Rezzo Schlauch, Dieter Hundt u. a.
Bad Boller Perspektiven - Band 5
Die Mobilität der Gesellschaft, Perspektive Europa, Chance Technologie, Soziale Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung
2001, 134 Seiten, 8,50 Euro